Mikrobloggingplattform ist wohl die beste Bezeichnung für den Dienst, der von Twitter angeboten wird. Doch was genau muss man sich darunter vorstellen? Das Medienunternehmen Twitter setzt sich zum Ziel, jedem die Möglichkeit zu geben, seine Ideen und Informationen sofort und über Grenzen hinweg zu teilen, wobei dies über sogenannte Tweets – Kurznachrichten mit dem Umfang von maximal 140 Zeichen – geschehen soll. Doch was genau entsteht beim Twittern und wie lässt sich das Produkt textlinguistisch beschreiben?
Diese Arbeit / dieser Vortrag soll genau darauf eine Antwort geben, wobei herausgestellt werden soll, dass das traditionelle Textualitätskriterium der Kohärenz trotz, oder gerade wegen der begrenzten Textlänge, festzustellen ist.
Dazu habe ich mich lediglich mit einem Teil der Kommunikation auf Twitter – nämlich mit hashtagbasierten Tweets – auseinandergesetzt. Zudem stehen bei dieser Arbeit / diesem Vortrag die textualitätsbildenden Effekte der Wortbildung im Vordergrund, die ich mit einer Analyse nach dem Isotopie-Konzept von Greimas (1971) herausstellen will.
Ein einführendes Beispiel soll genauer zeigen, worauf meine Analyse abzielt. Das Beispiel stammt aus dem eigens für diese Arbeit erstellten Korpus.
(1) The Gaucho: Rebellen lassen #MH17-Zug des Grauens abfahren […]
Auf den ersten Blick – betrachtet man den Tweet isoliert von seiner textuellen Umgebung – ist nicht wirklich gut erkennbar, was uns der Verfasser mitteilen will: Man stellt sich die Fragen, welche Rebellen gemeint sind und was unter einem #MH17-Zug des Grauens zu verstehen ist? Darüber hinaus wirkt die Aussage aus einem Kontext gerissen und ist daher kaum richtig zu verstehen; zudem ist der Tweet-Text sehr kurz.
Wir erkennen aber, dass der Tweet mit einem sogenannten Hashtag, erkennbar am Rautensymbol, versehen ist. Dieser soll an dieser Stelle zunächst nur als Themenmarker verstanden werden (weitere Ausführungen zur Hashtag-Kommunikation auf Twitter folgen später), was so viel heißt, als dass der Verfasser seinen Tweet mithilfe dieses Markers zu einem Thema zuordnet. Das Hashtag wurde in diesem Beispiel jedoch nicht bloß angefügt oder als eine Art ‚Tweet-Überschrift‘ oder ‚-Titel‘ vorangestellt, sondern bildet zusammen mit dem Lexem Zug ein neues Wort. Mit dieser ‚Schlüsselvokabel‘ #MH17-Zug können wir die Aussage in den Kontext der Twitter-Kommunikation über das Flugzeugunglück der Maschine mit der Flugnummer MH17 in der Ukraine stellen und die Vieldeutigkeit des Texts wird aufgehoben. Gemeint ist hier der Zug, der die Leichen der Opfer vom Unglücksort abtransportieren sollte.
Somit ist an diesem Einstiegsbeispiel schon ersichtlich, dass durch bestimmte Wortbildungen in der hashtagbasierten Twitter-Kommunikation sich semantische Zusammenhänge in Form einer Art intertextueller Kohärenz feststellen lassen; und diese besteht, obwohl die Tweet-Texte sehr kurz sind. Zwar geht aus dem Beispiel keine generelle textuelle Autonomie für den Einzel-Tweet hervor, semantische Zusammenhänge zeigen sich aber dennoch.