Verschiedene Studien lassen vermuten, dass phonologische Prozesse während des Lesens aktiv sind, und umgekehrt orthographische Prozesse stattfinden, während man Sprache hört und segmentiert. Viele bisherige Modelle zu Sprachsegmentierung und zu Leseprozessen haben diese Beziehung jedoch nur einseitig dargestellt, was zur Formulierung des Bimodal Interactive Activation Model (Grainger und Ferrand, 1996) führte, welches mehr Verknüpfungen und gegenseitige Einflüsse erlaubt. Jedoch ist immer noch nicht klar, ob lexikalische Prozesse involviert und welche Level des Models betroffen sind. Das Ziel unserer Studie war es, orthographische Aktivierung während auditorischer Sprachverarbeitung weiter zu erforschen. Probanden hörten zunächst einige Sätze und sahen dann weitere Sätze auf dem Bildschirm, in denen einzelne Wortphrasen wiederholt wurden. Um phonologische und orthographische Prozesse in der Verarbeitung zu isolieren, wurde stark manipuliertes Ungarisch für die Stimuli genutzt. Elektrophysiologische Signale wurden mithilfe von EEG gemessen und analysiert, um zu überprüfen, inwiefern die Probanden den unbekannten Sprachstrom an Wörtern segmentieren und orthographische Repräsentationen vom Gehörten generieren, auf welche dann während des Lesens zurückgegriffen werden kann. Die Ergebnisse zeigen, dass die Probanden eine visuelle Reaktion auf die kritischen Stimuli zeigen, was vermuten lässt, dass sie vorher ein Schriftbild des Wortes generiert haben und dies nun erfolgreich abrufen, wenn sie konfrontiert sind mit der visuellen Form. Diese Interpretation der Ergebnisse unterstützt das Bimodal Interactive Activation Model im Gegensatz zu herkömmlichen einseitigen Modellen der Sprachsegmentierung und des Lesens, und lässt weitere Rückschlüsse auf die Sprachverarbeitung in Bezug auf Segmentierung und Leseprozesse zu.