Ende des Jahres 2012 veröffentlichte das Simon-Wiesenthal-Center (SWC) seine Liste der »Top Ten Anti-Semitic/Anti-Israel Slurs 2012«, an deren neunter Stelle der deutsche Publizist Jakob Augstein mit seinen unter dem Titel »Im Zweifel links« seit 2011 wöchentlich auf SPIEGEL Online erscheinenden Kolumnen firmierte.
Der Verfasser wehrte sich umgehend via Facebook gegen diese Kritik, bezeichnete seine Texte als »kritische[n] Journalismus« und die Kritik als »diffamier[end]«. Damit setzte er nicht zuletzt auch den Rahmen für die mediale Deutung und Bewertung des Gegenstands: Fast ausnahmslos und quer durch das gesamte politische Spektrum wurde Augstein gegen die Kritik verteidigt, skandalisiert wurde dagegen die Arbeit des SWC. Eine konkrete Beschäftigung mit den inkriminierten Textstellen fand in der stark personalisierten Debatte kaum einmal statt.
Anhand einer Textanalyse und auf Grundlage aktueller Antisemitismustheorien geht mein Vortrag der Kritik an Augsteins Äußerungen nach. Es gilt zu überprüfen, ob sich in seinen Kolumnen auf lexikalischer, semantischer, syntaktischer und argumentativ-konzeptueller Ebene Manifestationen von Antisemitismus finden lassen. Ein besonderer Fokus der Analyse liegt dabei auf Äußerungen unter dem Deckmantel vermeintlich sachlicher ›Israel-Kritik‹.
Das Ziel des Vortrags ist es, zu einer Analyse und Kritik der sprachlichen Mittel und Strategien beizutragen, mithilfe derer sich (anti-israelischer) Antisemitismus gegenwärtig innerhalb der Grenzen des Sagbaren (bzw. diese Grenzen erweiternd) artikuliert. Die gewalttätigen antisemitischen Ausschreitungen dieses Sommers, die ein in Deutschland nach 1945 unbekanntes Ausmaß erreichten, bewiesen einmal mehr die Notwendigkeit dieser Kritik. Denn Sprache ist die Voraussetzung jeder Handlungspraxis. Daher gilt es, den Hass, der sich gegen Israel und die Juden richtet, auch und gerade in seinen sprachlichen Erscheinungsformen konsequent aufzudecken und anzuklagen.